von Bianka Bönig und Christina Plotz
Das Deutschlandticket hat den Öffentlichen Nahverkehr revolutioniert. Mit 58 EUR pro Monat und deutschlandweiter Gültigkeit bietet es eine beispiellose Vereinfachung. Doch die Einführung des Deutschlandtickets hat nicht automatisch alle lokalen Tarife vereinfacht. Weiterhin gibt es bei zahlreichen Verkehrsverbünden und Verkehrsunternehmen komplizierte Waben, fixe Tarifzonen und Abos, die weit mehr als 58 EUR kosten. Viele Fahrgäste stehen vor demselben Tarifdschungel wie zu Zeiten vor Einführung des Deutschlandtickets.
Was es braucht, ist eine dauerhafte Etablierung des Deutschlandtickets als zentrales Zeitkartenprodukt und eine sinnvolle lokale bzw. regionale Ergänzung durch weitere Produkte. Insbesondere der Bartarif, also Einzel-, Mehrfahrten-, Tages- und Gruppenkarten, passt vielerorts in seiner Komplexität nicht mehr zur Einfachheit des Deutschlandtickets. Eine Reform muss her, die die Bestandsprodukte und Kanäle kritisch betrachtet und alles abschafft, was keinen signifikanten Mehrwert bietet.
Auf den ersten Blick hat das Deutschlandticket massive Vereinfachungen gebracht, denn zum ersten Mal in der deutschen Geschichte können Fahrgäste einen Fahrschein erwerben und damit den gesamten öffentlichen Nahverkehr im Land nutzen. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass das Ticket meistens nur als weiteres Produkt ins Tarifportfolio aufgenommen wurde. So stehen diejenigen, die kein Deutschlandticket kaufen möchten oder können, vor derselben Komplexität wie bisher. Für die Verkehrsunternehmen hat sich gleichzeitig der Vertriebsaufwand vielerorts nicht reduziert, da alle Bestandsprodukte weiterhin gepflegt werden müssen.
Mit einer durchdachten Reform im Bartarif und bei Zeitkarten werden viele Vorteile für alle Akteure geschaffen:
Der größte deutsche Verkehrsverbund VRR hat bereits vorgelegt: zum 01. März 2025 wird das Tarifsystem neu ausgerichtet und auf die meistverkauften Kernprodukte fokussiert. Damit fallen 500 von 650 Tarifprodukten weg – eine Reduktion um 75%.[1] Auch die Anzahl der Preisstufen sinkt von 7 auf 3. Für die meisten Fahrgäste wirkt sich die Tarifreform positiv aus. Über 90% zahlen zukünftig weniger. Neben den Einzel- und Tagestickets steht der eTarif eezy für die gelegentliche Nutzung im Fokus. Mit Check-in/Check-out wird der genaue Fahrpreis auf Basis der Luftlinienentfernung ermittelt.
Auch AVV und VRS, NAH.SH sowie der hvv arbeiten Stand Anfang des Jahres 2025 an umfassenden Tarifreformen. Der hvv hat diese im Zeitkarten-Segment bereits zur Einführung des Deutschlandtickets umgesetzt. Viele weitere sind in Planung.
Neben der reinen Sortiments- und Preisstufengestaltung können und müssen im Zuge der Reform weitere Elemente betrachtet werden. Insbesondere den Vertriebskanälen kommt eine große Bedeutung zu. Gibt es alle Fahrscheine auf allen Kanälen oder sind bestimmte Produkte nur noch auf bestimmten Kanälen verfügbar? Welche Rolle spielen digitale Vertriebskanäle zukünftig? Durch den gezielten Einsatz von Digitalisierung kann der Zugang für Kund*innen weiter vereinfacht werden, dazu gehören:
Die Zukunft des Vertriebs liegt in der Digitalisierung. Dies gilt es im Zuge einer Reform mitzudenken und schon frühzeitig auf digitale Produkte und Kanäle zu setzen. So können Prozesse im Vorder- und Hintergrund verschlankt und beschleunigt werden. Nebenbei generieren die Systeme wertvolle Informationen zu den Gewohnheiten der Kund*innen und bieten die Chancen für zukünftige Entscheidungen besser gewappnet zu sein.
Eine klare Zielvorstellung mit der zugehörigen Strategie sind wichtige Wegbegleiter, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Zielbild und Strategie stehen damit auch an erster Stelle der Tarifreform und helfen im Prozess das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und die richtigen Etappen zu planen. Sie bieten einen klaren Fahrplan, um Prioritäten zu setzen, Ressourcen optimal zu nutzen und die Richtung vorzugeben. Eine gute Strategie ermöglicht es, Marktchancen zu erkennen und zu nutzen und Herausforderungen proaktiv zu begegnen. Gerade vor dem Hintergrund der Ungewissheit ist es wichtig sich die eigene Vision und Zielvorstellung vor Augen zu rufen, um zielgerichtete Entscheidungen zu treffen.
In Zukunft bieten digitale Plattformen vielfältige Möglichkeiten. Beispielsweise könnten sie personalisierte Tarife und Produkte ermöglichen, basierend auf den individuellen Nutzungsprofilen. Für weniger digitale Fahrgäste gilt es analoge Elemente auf einem niederschwelligen Niveau verfügbar zu machen. Die Zukunft des Tarifs liegt in einem abgestimmten Zusammenspiel aus modernem Vertrieb, innovativen Technologien und einem klaren Fokus auf dem Nutzen für Kund*innen.
Wir begleiten seit vielen Jahren erfolgreich zahlreiche Tariforganisationen bei Tarifveränderungen. Daher wissen wir, worauf es ankommt. Unser Vorgehen könnte zum Beispiel folgendermaßen aussehen:
Gemeinsam mit Ihnen entwickeln wir nachhaltige Tarifstrategien, die Fahrgäste begeistern und wirtschaftlich überzeugen. Lassen Sie uns den nächsten Schritt in Richtung Zukunft gehen!
[1]https://www.vrr.de/de/aktuelles/newsroom/grosse-tarifreform-im-vrr-vereinfacht-den-ticketkauf/
17. Februar 2025