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Die Erfolgsformel der
Sharingstrategie in München

von Bianka Bönig und Dr. Hendrik Koch

Shared Mobility entwickelt sich seit Jahren zu einem integralen Bestandteil unserer Mobilitätswelt und ist aus vielen Städten nicht mehr wegzudenken (siehe auch Shared Mobility Trends 2023). Das hat auch die Stadt München erkannt und im Rahmen ihrer Mobilitätsstrategie 2035 der Shared Mobility ein besonderes Augenmerk geschenkt. Mit der Sharing-Strategie sollen eine klimafreundliche Mobilität gefördert werden und Fahrten vom privaten Auto auf den erweiterten Umweltverbund verlagert werden. Dazu wird das bestehende Angebot im öffentlichen sowie Radverkehr erweitert und um vielfältige Sharing-Angebote ergänzt.  

Derzeit gibt es im Bereich von Sharing-Angeboten nur wenig kommunale Steuerung. Viele Anbieter gestalten ihre Angebote aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive. So werden verkehrliche Potenziale nicht ausgeschöpft und kein flächendeckendes Angebot in der Stadt bereitgestellt. Darunter leiden vor allem die Randbereiche der Stadt, die oft ohnehin schlechter mit Alternativen zum MIV versorgt sind.  

Die Sharing-Strategie der Stadt München hat es sich daher zum Ziel gesetzt die Shared Mobility zu einem ergänzenden Baustein des öffentlichen Personennahverkehrs zu entwickeln und damit räumliche, zeitliche und kapazitäre Lücken des Bestandssystems zu schließen.  

Für eine zielgerichtete Maßnahmenentwicklung benötigt es Informationen zum aktuellen Stand. Eine Kernfrage ist dabei „Welche Gruppen von Menschen bewegen sich derzeit durch die Stadt und was brauchen diese Menschen, um auf den erweiterten Umweltverbund umzusteigen?“. 

Menschen nutzen aus verschiedenen Gründen ihren Privat-Pkw. Je nach Hauptmotiv für die Nutzung, lassen sich Autofahrer*innen leichter oder schwieriger zu einem Umstieg bewegen. Für die Stadt München wurden daher Autofahrende dazu befragt, wie gerne sie Auto fahren und wie dringend sie ein Auto für die Bewältigung ihrer Wege brauchen. Daraus können vier Gruppen gebildet werden: autounabhängige Pragmatiker, autoaffine Pragmatiker, Auto Captives und überzeugte Autonutzer.  

Menschen, die nicht gerne Auto fahren, es aber derzeit müssen (Auto Captives), können durch die gezielte Schaffung von Angeboten zu einem Umstieg auf den erweiterten Umweltverbund bewegt werden (PULL-Maßnahmen). Um Menschen, die ihr Auto gerne nutzen (autoaffine Pragmatiker und überzeugte Autonutzer), zu einer Veränderung des Mobilitätsverhaltens zu bewegen, braucht es Maßnahmen, die die Attraktivität des privaten PKWs herabsetzen (PUSH-Maßnahmen).  

Die Potenzialanalyse zeigt, dass insgesamt rund 8%-Punkte des MIV-Anteils auf den erweiterten Umweltverbund verlagert werden können. Für den Großraum München umfasst das rund 400.000 Wege pro Tag bzw. etwa ein Viertel der derzeitigen MIV-Fahrten.[1]

Die Sharingstrategie als Teilstrategie der Mobilitätsstrategie steht unter dem Leitbild: „Dein München, Unsere Region, Deine Wahl – vernetzt mobil, wann, wie und wo Du willst“. Daraus lassen sich für die weiteren Maßnahmen wichtige Erkenntnisse ableiten:  

  • Dort, wo der ÖPNV-Ausbau sinnvoll ist, sollte dies erfolgen. 
  • Die Substitution einzelner Fahrten ist in Kauf zu nehmen, wenn in Summe die MIV-Fahrten im fließenden und der Flächenverbrauch im ruhenden Verkehr reduziert werden. 
  • Für Gruppen, die für die klassischen ÖPNV nicht gewonnen werden können, müssen attraktive Alternativen angeboten werden, die sowohl Punkt-zu-Punkt-Verbindungen als auch intermodale Wegeketten bedienen. 
  • Zur Erhöhung der Nutzungszahlen sind neben umfangreichen Pull-Maßnahmen auch Push-Maßnahmen notwendig. Ohne begleitende Restriktionen hat keine Stadt deutliche Verlagerungseffekte erzielt, wenn sie bereits über ÖPNV-Hochleistungssysteme verfügen.  

Sharing soll überall dort eingesetzt werden, wo der klassische ÖPNV an seine Grenzen stößt. Dies ist insbesondere bei Fahrten mit viel Gepäck und auf der ersten bzw. letzten Meile der Fall. Weiterhin bieten geteilte Fahrzeuge die Möglichkeit fehlende Tangentialverbindungen zu bewältigen.  

Um die geteilte Mobilität erfolgreich in Städten zu etablieren, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehören diskriminierungsfreie Auskunfts- und Buchungsplattformen für alle Angebote, ein Ausbau der Infrastruktur und zentrale Zugangsorte, die das Wiedererkennungspotenzial stärken und die Nutzung vereinfachen. Auch Öffentlichkeitsarbeit spielt eine entscheidende Rolle, um die Akzeptanz zu stärken und Hemmschwellen abzubauen.  

Insgesamt besteht die Sharing-Strategie in München aus sechs wesentlichen Maßnahmen, die das Ziel verfolgen allen Menschen in der Stadt flexible und klimafreundliche Mobilität ohne privaten PKW zu ermöglichen.[2]  

1. Mobilitätspunkte: gut sichtbare Orte geteilter Mobilität  

Eines der Kernelemente der Sharing-Strategie in München bilden die Mobilitätspunkte als gut sichtbare Orte und zentrale Anlaufstellen. Die Punkte bestehen aus einer Stele, wodurch die Orte bereits aus der Ferne gut erkennbar sind und werden sowohl an zentralen Knotenpunkten als auch dezentral, beispielsweise in Wohnortnähe bereitgestellt.  

Die vorzufindenden Angebote unterscheiden sich je nach den örtlichen Gegebenheiten und dem zu erwartenden Bedarf. In der kleinsten Kategorie werden zwei verschiedene Sharing Angebote bereitgestellt. Diese Form der Mobilitätspunkte wird daher vor allem in Wohngebieten und kleinteiligen Lagen angeboten, um sowohl spontane als auch routinierte Fahrten abdecken zu können. An zentralen Quartierslagen sowie Knotenpunkten und beliebten Zielorten entstehen größere Mobilitätspunkte, an denen neben dem ÖPNV mindestens zwei weitere Angebote geteilter Mobilität und weitere Add-Ons, wie Abstellanlagen oder Reparaturstationen für Fahrräder oder Ladeinfrastruktur angeboten werden. In der umfangreichsten Ausprägung bieten die Stationen Zugang zum ÖPNV, mindestens vier verschiedene Shared Mobility Angebote und weitere Infrastruktur- und Mobilitätsdienstleistungsangebote.  

2. Carsharing: flächendeckende Verfügbarkeit in der ganzen Stadt 

Ziel der Stadt München ist es flächendeckend im ganzen Stadtgebiet Carsharing anzubieten. Dazu zählen freefloating Angebote aber ebenso auch stationsbasiertes Carsharing. Da beide Systeme unterschiedliche Gruppen ansprechen und mitunter verschiedene Wegezwecke bedienen, können die Systeme nur in Kombination ihr volles Potenzial ausschöpfen.  

3. Mikromobilität: kleine Fahrzeuge für die letzte Meile  

Das Sharing-Angebot setzt sich zu weiten Teilen aus verschiedenen Elementen der Mikromobilität zusammen. Darunter werden kleine, leichte und relativ umweltfreundliche Fahrzeuge, wie beispielsweise Fahrräder, Pedelecs, E-Tretroller oder E-Motorroller verstanden. Ein wesentlicher Vorteil dieser Fahrzeuge ist der geringe Platzbedarf beim Abstellen.  

Ein wichtiger Anwendungsfall ist die Nutzung für die erste bzw. letzte Meile einer Reise. Wenn der nächste ÖPNV-Haltepunkt weit vom eigentlichen Ziel entfernt ist, greifen viele für die ganze Fahrt auf den privaten PKW zurück. Durch die Möglichkeit diese Strecken mit Fahrzeugen der Mikromobilität zurückzulegen, kann die gesamte Autofahrt durch umweltfreundlichere Alternativen ersetzt werden.  

4. On-Demand Mobility: komfortable Ergänzung zum Linien-ÖV 

Unter On-Demand Mobility werden im Rahmen der Sharing-Strategie Pooling-Verkehre verstanden, die im Auftrag der öffentlichen Hand erfolgen. Unter Pooling versteht sich, dass verschiedene Fahrtwünsche von Fahrgästen gebündelt und in einem Fahrzeug gemeinsam abgewickelt werden.  

Der wichtigste Einsatzbereich liegt an Orten mit mangelnden Angebotsstrukturen im ÖPNV, bei denen eine Bedienung durch klassischen Linienverkehr nicht oder nur zu Stoßzeiten wirtschaftlich ist. On-Demand-Angebote ergänzen und stärken das bestehende Liniennetz und leisten einen wichtigen Beitrag die Angebotslücke zwischen privatem PKW und ÖPNV zu schließen.  

5. Mobilitätsplattform: mit einem Klick zum besten Angebot  

Eine der größten Schwierigkeiten bei der Nutzung von geteilten Fahrzeugen ist bis heute die Buchung. Zwar bieten alle Anbieter gut funktionierende Apps an, doch beschränken sich diese in der Regel auf die Buchung weniger Modelle weniger Unternehmen. Wer das gesamte Angebot einer Stadt nutzen will, muss zahlreiche Apps runterladen und genauso viele Registrierungsprozesse durchlaufen.  

Diesem Umstand möchte die Stadt München durch die Schaffung einer gemeinsamen Mobilitätsplattform entgegenwirken. Auf dieser sollen verschiedene Mobilitätsdienstleistungen in digitaler Form gebündelt werden. Auch weitere Angebote aus dem Bereich Freizeit und Tourismus sollen hier Platz finden. Dabei stehen Nutzer*innen im Fokus. Die Plattform soll ihnen helfen ihre Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen und helfen umständliche Wegeketten zu bewältigen.  

Die Plattform ermöglicht Planung, Buchung, Bezahlung und Echtzeit-Informationen aus einer Hand. So wird der gesamte erweiterte Umweltverbund über ein System, mit einer Registrierung und einer Rechnung nutzbar.  

Um die Diskriminierungsfreiheit des Systems zu gewährleisten, nehmen die öffentliche Hand und die Aufgabenträger eine koordinierende Rolle ein. Der Freistaat Bayern hat bereits die Weiterentwicklung der Informationsplattform DEFAS Bayern zu einer offenen Mobilitätsplattform beauftragt.  

6. Zentrale Plattform für Mobilitätsdaten (MDAS): Datenbasiertes Monitoring, Steuerung und Regulierung  

Um bestehende Angebote weiterentwickeln zu können und die Zielerreichung bewerten zu können, braucht es Daten. Diese sollen in München in einer zentralen Datenplattform bereitgestellt werden. Als „digitaler Zwilling“ des GeodatenService der Landeshauptstadt, sollen die Mobilitätsdaten verschiedenen Fachbereichen zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig ergeben sich Synergien bei der Datenhaltung, dem Schnittstellenmanagement und weiteren Bereichen.  

Das Kernziel ist es, das Angebot in Echtzeit überwachen und analysieren zu können. Kurzfristig kann dies beispielsweise bei der Verkehrssteuerung dienen. Mittelfristig können die Daten Planung, Förderung und Koordination der Shared Mobility in München gewährleisten.   

Und wie sieht’s gerade aus? 

Seit Sommer 2023 laufen die Umsetzungsarbeiten in München bereits. Im Juni wurde der erste Mobilitätspunkt eröffnet, im gleichen Monat folgten sieben weitere. Aktuell gibt es im Stadtgebiet knapp 40 Punkte. Bis 2026 soll der Zielzustand von 200 Mobilitätspunkten erreicht werden. Ab dem kommenden Jahr soll auch der Ausbau im Landkreis Fürstenfeldbruck starten, in dem in zehn Städten und Gemeinden über 60 weitere Punkte entstehen.  

Neben den Mobilitätspunkten, an welchen unter anderem Carsharing Fahrzeuge angeboten werden, entstehen 600 weitere Stellplätze, die öffentlich ausgeschrieben werden. Auf diesen Plätzen können später die Sharingfahrzeuge der jeweiligen Anbieter, die den Zuschlag erhalten haben, abgestellt werden. Diese Form des stationsbasierten Charsharings wird durch free floating Angebot ergänzt.[3] 

Ein weiterer wichtiger Baustein der Sharing-Strategie ist der On Demand Verkehr. Nach dem erfolgreichen Test in den Jahren 2018 bis 2020 wird derzeit der Betrieb eines neuen Systems vorbereitet, welches im Jahr 2025 starten soll und zukünftig auch fahrerlos betrieben werden soll.[4] 

Wir freuen uns, dass wir die Stadt München bei der Erarbeitung und Umsetzung der Sharingstrategie unterstützen durften und blicken gemeinsam gespannt auf die Zukunft. Sie haben Fragen zur Umsetzung und Vernetzung von Shared Mobility-Projekten und -Strategien? Gerne stehen wir bereit, Sie bei Ihren Vorhaben zu begleiten. 

 


[1] Mobilitätsreferat Strategie MOR-GB1-1.2 (Mobilitätsstrategie 2035). URL: https://risi.muenchen.de/risi/dokument/v/6979662 (Abrufdatum: 09.01.2023)

[2] Mobilitätsreferat Strategie MOR-GB1-1.2 (Mobilitätsstrategie 2035). URL: https://risi.muenchen.de/risi/dokument/v/6979662 (Abrufdatum: 09.01.2023)

[3] Süddeutsche Zeitung (18.01.2023): Nur wer das Auto teilt, darf hier parken. URL: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-carsharing-parkplaetze-1.5734558 (Abrufdatum: 09.01.2023)

[4] Sascha Karowski (07.12.2023): ÖPNV auf Abruf: München soll ab 2025 wieder einen On-Demand-Service erhalten. URL: ÖPNV auf Abruf: München soll ab 2025 On-Demand-Service erhalten (tz.de) (Abrufdatum: 09.01.2023)

09. Januar 2024